Was ich bei TV Noir über Kreativität gelernt habe
Schau mal hier:
(Achtung Spoiler: Einige der rumpeligen Konstruktionen könnten im August in abgewandelter Form wirklich auf unserer Bühne landen.)
Was fällt dir auf?
- Die Ausrüstung ist total improvisiert, ganz schnell zusammengetackert.
- Es gibt eine wilde Vielfalt an Varianten, was balanciert wird: mit / ohne Stab, groß / klein, schwer / leicht …
- Offenbar macht das rumprobieren Spaß
Das passt alles sehr gut zu meinen Lieblings-Lektionen:
1 | Stabilize the periphery – Move from the Core
Ein Prinzip aus dem Anusara Yoga, gilt aber hier auch: Die Bewegung, die Energie, geht auf die Kernidee. Randaspekte wie die Gestaltung sollen erst mal einfach und unterstützend sein.
Bevor wir in irgendetwas Aufwand für schöne Gestaltung stecken, muss der Kern funktionieren. Darum basteln wir unsere Spiele erst aus Pappe, Tape und Fantasie, um herauszufinden: Macht die Grundmechanik überhaupt Spaß? Ist es verständlich? Knifflig genug, aber nicht fies? Ganz wichtig dabei: Erst mal überlegen “Was kann man bei diesem Spiel alles verändern?” (z.B. eben mit/ohne Stab, Ballon/Lampion/Ball etc.), dann all diese Einstellmöglichkeiten wild experimentieren. Video Tip: Mark Rober erklärt hier super, wie systematisch er vorgeht.
Wir haben mal Wochen in wunderschöne Drachen investiert (huhu Clueso & Glen Hansard) – nur um bei der ersten Probe festzustellen, dass die Viecher ständig umkippten. Seitdem gilt: Stabilize the periphery, move from the core..
2 | Die beste Idee steckt hinter einer beknackten
Stell Dir vor, du willst im Nebel mit wenig Sicht auf den höchsten Gipfel (vielleicht in echt nicht so schlau, aber geht ja jetzt mal ums prinzip). Wenn immer nur der aktuellen Steigung nach oben folgst, bleibst du irgendwann vermutlich auf einem Hügelchen hängen, von wo es nicht mehr weiter nach oben geht (wir Mathematiker sagen “lokales Optimum”). In der Spieleentwicklung heißt das: Manchmal muss man den Mut haben, ins Tal von miserablen Ideen zu steigen, damit sich dahinter ganz neue Höhen auftun. Viele unserer genialsten Spiel‑Twists entstanden aus Zwischenversionen, die erstmal total unbrauchbar wirkten.
3 | Gärtner > Schmied
Das ist mir die allerwichtigste Erkenntnis: Der Unterschied zwischen impliziter und expliziter Gestlatung. Zwei Beispiele:
- Ein Schmied schmiedet das Eisen explizit so wie er oder sie es haben will. Ein Gärtner dagegen zieht nicht am Ast damit der Baum wächst, sondern er sorgt für guten Boden, Licht und Wasser, und lässt dann den Baum daraus entstehen – er gestaltet implizit.
- Früher haben Schachcomputer genau und nach einem explizit programmierten Regelwerk ausgerechnet, welcher Zug welchen Wert hat. Gegen Googles AlphaZero haben diese Computer keine Chance! AlphaZero wurde von den Entwicklern auch nur der Boden bereitet: Wie ziehen die Figuren, was ist das Ziel des Spiels, sonst nichts (zero) – alle Muster, Ideen und Bewertungen entstanden dann implizit durch milliardenfaches ausprobieren – weder die Programmiererinnen noch AlphaZero selbst wissen explizit, warum es einen Zug gut findet. Ähnlich ist es bei Songs, bei Spielen oder bei der Entwicklung einer Show: Wenn man gute Leute zusammenholt, sich darauf konzentriert was man sich für eine Wirkung wünscht und sich dann mit Freude und ausgeruht vielen verschiedenen Ideen aussetzt, dann sprudeln die Ideen.
Hast du Lust, tiefer einzutauchen?
Wie schon vor einer Weile erwähnt, leite ich vom 14.–20. Juni 2025 ein kleines Kreativ‑Retreat auf Korfu mit einer guten Freundin. Einmal täglich Yoga, viel Meerblick und jede Menge spielerische Übungen, um deine Kreativität zu entdecken und zu kultivieren. [Mehr erfahren →]
Ich freu mich, wenn wir uns dort sehen – oder bei einer der August‑Shows!